Mit Handy und Satellitentelefon durchs Meer
Unsere Generation ist es gewohnt, immer und überall erreichbar zu sein.
Schlechte Netzabdeckung und damit verbundene Gesprächsabbrüche gehören für uns eigentlich zu den seltenen Formen der ungewollten Kommunikationsenthaltsamkeit. Wobei, es geht ja nicht nur um Sprachtelefonie, unsere "Händys" versorgen uns mit Wetterdaten, Bilder von Freunden und Verwandten über die diverse Whatsappgruppen, jede information ist abruf- und speicherbar, und so manches Tablet oder Handy ersetzt ältere Plotter mit dem neuesten Kartenmaterial von Navionics.
Solange man in Reichweite der Netze bleibt.
Im Mittelmeer...
ist das kaum ein Problem. So waren wir von Kroatien bis Gibraltar 80% in diversen Netzabdeckungen und durch den innereuropäischen Fall des Roamings kostengünstig und fast immer erreichbar. Besonders überraschend, gab es kein "Netzloch" zwischen Mallorca und Ibiza; Der Handyempfang war durchgängig gegeben.
Kein Handy-Netz gab es:
-> Auf einem Teilstück zwischen Kroatien und Italien.
-> In Italien zwischen "Stiefelabsatz" und "vordere Sohle".
-> In einem Teilbereich des Tyrrhenischen Meeres.
-> In einem größeren Teilbereichen zwischen Sardinien und Mallorca.
Wie verhält es sich am Atlantik?
Ca. 20 NM nach den Kanaren, Richtung Kapverden wars das erstmal mit dem europäischen Handy-Netz. Wer nun erreichbar sein will muss zum Satellitentelefon greifen. Und fühlt sich mit einem Mal kommunikationstechnisch zurückversetzt in die 80iger/90iger.
Wir haben uns für ein Inmarsat Phone2 entschieden, andere Systeme können jedoch durchaus besser oder schlechter sein - Ich denke, dass die meisten Vor- bzw. Nachteile bei den meisten Systeme mehr oder weniger zutreffen. Über einen Bekannten konnte ich das ISAT-Phone2 zum Schnäppchenpreis erwerben. A propos Preis; Handys in den 90igern waren durchwegs günstiger; der Kaufpreis ist vergleichbar mit einem herkömmlichen Smartphone der obersten Preisliga.
Wer nun meint...
die herkömmliche Handy-Praxis auf den Atlantik zu zaubern, der irrt gewaltig. Vorerst muss einmal Gesprächsguthaben via Email, SMS oder Web über Kreditkarte oder Paypal gekauft werden. Dabei gibt es verschiedene Gesprächspakete, meist monatlich reglementiert. Je günstiger das Paket desto weniger Minuten und auch weniger Gültigkeitsdauer. Wird das Guthaben innerhalb der Frist nicht aufgebraucht verfällt es, es sei denn, man kauft bis zum Ende des Ablaufdatums ein weiteres Paket. Nur dann werden die Minuten der beiden Pakete zusammen addiert und verlieren nicht ihre Gültigkeit bis zum neuen Ablaufdatum. Der Beginn der Guthabenperiode kann per Datum dafür individuell festgesetzt werden.
Praktisch
- Das Telefon verfügt über einen SOS-Knopf der (vor unabsichtlichen Gebrauch geschützt) eine Meldung ins GEO Center Houston absetzt. Allerdings nur mit aufgeladenem Gesprächsguthaben! Von dort werden die je nach Notfall zuständigen "Authorities" kontaktiert. Was dann passiert, entzieht sich unserer Erkenntnis, da wir davon keinen Gebrauch machen mussten.
- Das Gerät ist laut Beschreibung wasserfest. Zumindest die Spritzwasserfestigkeit konnten wir antesten, und es funktionierte auch nass weiterhin zuverlässig.
- Im Zubehör findet sich ein 12V- Ladekabel. Sehr gut! Der Stromverbrauch orientiert sich übrigens an die Nokias meiner Jugend, das Ding ist also wirklich, wirklich sparsam.
Die Praxis mit dem ISAT-Phone2
Zunächst wird das Gerät eingeschalten und ist mit aufgeklappter Antenne nach wenigen Sekunden bereit. Die Handhabung orientiert sich an den Handy der 90iger. Mit insgesamt 6 Buttons bedient man das Handy und seine Funktionen. Die Menüführung erinnert eben auch stark an die Nokias aus dieser Zeit. Touchscreen gab es damals nicht. Am Inmarsat Phone2 ist das auch heute so, doch wer darin einen Nachteil sieht, sollte einmal bei strömenden Regen durch sein aktuelles Smartphone navigieren. Es ist kaum möglich.
Schönwettertelefon? SMS? Sprachtelefonie?
Das Phone2 funktioniert übrigens nur im Freien; es braucht freie "Sicht" zu mehreren Satelliten um sich einzuwählen und zu verbinden. Dieser Vorgang dauert bei Schönwetter 1-2 Minuten. Bei Sturm bzw. schlechter Sicht; durchaus länger.
Über eine "gratis" Inmarsat-Webseite soll es möglich sein SMS an das Sattelefon zu versenden. (Dies war unser Plan, von zuhause aus kostengünstig mit aktuellen Wetterdaten versorgt zu werden). Leider hat dies in 7 von 10 Fällen NICHT funktioniert. Die SMS kamen fast nie oder mit tagelanger Verspätung am Telefon an.
Ist einmal ein Verbindungsaufbau gelungen, klappen die Gespräche gut und weitestgehend ohne Abbruch. Die Sprachqualität würde ich mit 7 von möglichen 10 Punkten bewerten. Anrufe in Abwesenheit (um Strom zu sparen wurde das Sattelefon nur im Bedarfsfall eingeschalten) schienen leider auch nicht in der Telefonliste auf.
Was bedeutet das auf Langfahrt?
Das Satellitentelefon eignet sich (bei Schönwetter) um sich wieder einmal zuhause zu melden, oder im Falle von nötigen Reparaturen die nächste Werft/Marina in Kenntnis zu setzen. Bei Sturm oder Schwerwetter würde ich jedoch nicht mein Leben darauf wetten sondern eher auf Funk oder im Fall eines MAYDAY auf die EPIRB setzen.
PLUS
- Gesprächsqualität und Abdeckung
- Das Phone2 verfügt über einen SOS Button der im Notfall GPS Daten an das GEO Center Houston sendet.
- Sehr solide und gute Verarbeitung, sowie Wasserfest.
- Lange Akkudauer.
- Einfache Menüführung.
- Internet vorausgesetzt, einfaches Aufladen und Bezahlen von Gesprächsguthaben.
- 12-Volt Aufladekabel
MINUS
- Das Gerät ist, gemessen am Funktionsumfang mit herkömmlichen Smartphones vor allem eines; teuer.
- Gesprächsguthaben ist zeitlich reglementiert, und verfällt nach Ablauf.
- Bei Schwerwetter oder schlechter Sicht; längerer Verbindungsaufbau.
- Bei Windgeräuschen schwere Verständigung.
- SMS-Webseite funktioniert in 7 von 10 Fällen nicht
- Kein Datenempfang ohne Zusatzgerät
Unser Fazit
Vielleicht waren unsere Erwartungen zu hoch angesetzt, oder wir sind von jenen Kommunikationsmöglichkeiten zuhause zu verwöhnt; Das Rund-Um-Sorglospaket ist das Satellitentelefon nicht. Während die Sprachtelefonie unsere Erwartungen übertroffen hat, konnte der SMS Dienst oder die Anrufliste in Abwesenheit hier einfach nicht mithalten. Wobei Firmware Updates und andere Softwareverbesserungen hier möglicherweise in Zukunft greifen. Leider gibt es auch keine Möglichkeit Wetterdaten - Gribfiles ohne Zusatzgerät zu empfangen. Klare Schwachstelle.
Das ergibt (im Vergleich zur alltagstauglichen Handykommunikation) 4 von 10 Steuerrädern:
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Erwin Haas |